Schadet Dialekt der Sprachentwicklung?

Diese Frage wurde mir letztens in einer Therapieeinheit von einer besorgten Mutter gestellt.

Meine erste Antwort darauf: Nein, es schadet nicht. Kindern mit Dialekt werden sogar manchmal höhere sprachliche Kompetenzen zugeschrieben.


Mehrsprachigkeit ist KEINE Ursache für eine Sprachentwicklungsstörung!

Ein Kind, das mit einem Dialekt aufwächst, wird quasi zweisprachig erzogen. Es lernt Dialekt durch die Umgebungssprache und „Hochdeutsch“ über das Spielen von Rollenspielen, das Vorlesen von Büchern oder das Hören von Hörbüchern. Das ist vergleichbar mit Kindern, die z.B. Englisch und Deutsch gleichzeitig erwerben. Kinder mit funktionierenden Spracherwerbsstrategien können ohne Probleme mehrere Sprachen parallel lernen. Liegt eine Verzögerung der Sprachentwicklung vor, liegt das nicht am Dialekt, sondern an grundlegenden Strategien für den Spracherwerb.

Auf alle Grundlagen für den Erwerb von Sprache einzugehen, würde hier den Rahmen sprengen, aber eine möchte ich genauer erklären: das Anlegen von Konzepten.

Um ein Wort umfassend verstehen und somit auch adäquat verwenden zu können, muss für jedes Wort ein Konzept angelegt werden. Ein grundlegendes Konzept für das Wort „Hund“ wäre z.B.: hat vier Beine, hat einen Schwanz, hat Fell. Manche dieser Konzepte werden im Laufe der Sprachentwicklung übergeneralisiert, sodass z.B. auch zur Katze „Hund“ gesagt wird. Dieses Übergeneralisieren ist völlig normal! Mit der Zeit verfeinern sich diese Konzepte und grenzen die Wortbedeutung somit weiter ein. Z.B. kommt dann als Information zum Konzept „Hund“ auch noch dazu: bellt, schnüffelt, geht an der Leine spazieren, wedelt mit dem Schwanz bei Freude…

Um Konzepte anlegen zu können brauchen Kinder viel Wiederholung desselben Wortes in verschiedenen Situationen. Das ermöglicht Ihnen das ständige Erweitern ihrer Konzepte.

Vorerst wird für jedes angelegte Konzept nur ein Wort verwendet. Später können dafür dann auch mehrere Wörter (in verschiedenen Sprachen) abgespeichert werden z.B. neben „Hund“ auch „Wauwau“, „Wuffi“, „Köter“ oder „dog. Das Konzept für das Wort bleibt auch in anderen Sprachen oder im Dialekt dasselbe.

Wenn ein Kind also nur wenige Wörter spricht, kann das z.B. an Schwierigkeiten beim Anlegen von Konzepten, an zu geringem Sprachinput, an Problemen in der Sprachverarbeitung und noch vielem mehr liegen. Der Dialekt hat auf die Sprachentwicklung keinen negativen Einfluss!

Hast du noch Fragen dazu? Dann schreib mir gerne!